Wissenschaftliche Jahrestagung des Vereins für Naturkunde in Osthessen (VNO) am 10.11.24 |
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Dr. Ute Lange, 2. Vorsitzende des VNO, begrüßte etwa 50 Zuhörer im
Vortragssaal des Vonderau Museums zur diesjährigen Wissenschaftlichen
Jahrestagung des Vereins und führte anschließend durch die Tagung, die
unter dem Themenschwerpunkt „Invasive Arten“ stand.
Überall in unserem Naturraum trifft man mittlerweile vermehrt auf
gebietsfremde Arten, unabhängig ob man die Flora, Funga oder Fauna
betrachtet.
Das Thema ist in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus von
Wissenschaft und öffentlichem Interesse gerückt, weil einige dieser
Organismen weitreichende unerwünschte Folgen für Ökologie und Ökonomie
haben können,
so Lange in ihrer Einführung. |
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Vier Referenten beleuchteten dieses aktuelle Thema aus unterschiedlichen
Perspektiven. Dr. Beate Alberternst, Projektgruppe Biodiversität und Landschaftsökologie in Friedberg, ging in ihrem Vortrag auf verschiedene gebietsfremde Pflanzenarten in Hessen ein. Hier gibt es inzwischen 32 invasive und 33 potenziell invasive Arten. Dazu gehören die aus Ostasien stammenden Staudenknötericharten (Reynoutria div. spec.), der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum), die Vielblättrige Lupine (Lupinus polyphyllus), eine mehrjährige Staude, die 1829 als Zierpflanze eingebracht wurde und aufgrund von Stickstoffanreicherung zu Standortveränderungen beiträgt, oder die Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) mit gravierenden Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Einige gebietsfremde Pflanzen, wie die oben genannten sind weit verbreitet, während andere, wie z.B. die Gewöhnliche Seidenpflanze (Asclepias syriaca), der Rundblättrige Baumwürger (Celastrus orbiculatus), der Himalaya-Knöterich (Aconogonon polystachyum) oder der Amerikanischer Stinktierkohl (Lysichiton americanus) noch selten und erst mit wenigen Exemplaren vertreten sind. Auch Wasserpflanzen wie Tausendblatt (Myriophyllum spec.) und Wasserpest (Elodea canadensis) gehören zu den invasiven Arten. Alberternst befasste sich zudem mit den Auswirkungen, die diese Neophyten auf das heimische Artenspektrum haben und erläuterte diese anhand von Beispielen. Zu den beobachtbaren Auswirkungen zählen Konkurrenz, Standortveränderungen, ökosystemare Veränderungen, die wiederum zu Beeinträchtigungen von Insekten führen können, sowie genetische Veränderungen einheimischer Populationen durch Einkreuzen von Genen. Es sind Auswirkungen, die zum Teil ineinandergreifen bzw. sich gegenseitig bedingen. Darüber hinaus verwies die Referentin auf eine Reihe von Handlungsoptionen, um unerwünschten Entwicklungen entgegenzuwirken oder diese abzumildern. Als Maßnahmen gelten Prävention, also das Verhindern der Einbringung fremder Pflanzenarten, Früherkennung, sofortige Beseitigung, Eindämmung, Management sowie Kontrolle der Bestände. Da die potenziell erforderlichen Maßnahmen so umfangreich sind, gilt es diese zu priorisieren, um die verfügbaren finanziellen Mittel effizient einsetzen zu können. Mit Hilfe zweier Fallbeispiele demonstrierte Alberternst wie anhand von in einer Liste zusammengestellter Kriterien eine solche Priorisierung von Managementmaßnahmen erfolgen kann.
Auch vor den Pilzen, so Lukas Larbig, Pilzsachverständiger und
Feldmykologe der DGfM, macht die Einwanderung gebietsfremder Arten,
sogenannter Neomyceten, nicht halt. Diese Pilzarten weisen zumeist eine
parasitische Lebenseise auf.
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Dr. Manfred Verhaagh, Dr. Ute Lange, Joachim Jenrich, Lukas Larbig, Dr. Beate Alberternst
Die Vielblättrige Lupine oder Staudenlupine ist eine der problematischsten invasiven Pflanzenarten
(Foto: Beate Alberternst)
Entlang von Flüssen und Bächen finden
sich großflächige Bestände des Riesen-Bärenklaus. Eine Einzelpflanze
kann bis zu 21.000 Samen produzieren, die acht bis zehn Jahre im Boden
verbleiben (Foto: Beate Alberternst) |
Neben Flora und Funga ist auch die Fauna von der Einwanderung invasiver Arten betroffen. Wenngleich die Asiatische Hornisse (Vespa velutina var. nigrithorax) im Landkreis Fulda noch nicht gesichtet wurde, sind die Zahlen bezüglich ihrer zunehmenden Ausbreitung für Hessen, insbesondere für Südhessen alarmierend, wie Dr. Manfred Verhaagh, Diplom-Biologe und Leiter der Entomologie am Staatlichen Museum in Karlsruhe, zu berichten wusste. Diese Hornissenart, auf deren Biologie und vor allem Nestbauten der Referent anfangs einging, kommt nunmehr seit zehn Jahren in Deutschland vor. Der Erstnachweis für Hessen wurde 2019 erbracht. Schon 2014 konnten erste Flug- und Nestnachweise der invasiven Art in Baden-Württemberg erfolgen. Bereits 2004 wurden erste Nester in Frankreich, dann in Spanien, Portugal und Italien entdeckt. Die Ausbreitung erfolgt entlang von Straßen und Flüssen. Während 2023 607 Nester gemeldet wurden, waren es 2024 bereits 1018 Nester. Die Ausbreitung ist also rasant. Sie erfolgt von Süden nach Norden und von Westen in östliche Richtung. Dabei besiedelt diese tagaktive Hornissenart größtenteils urbane und randurbane Habitate, ist also am häufigsten im Siedlungsbereich, weniger in Waldgebieten anzutreffen. Als mögliche Schadwirkungen führte Verhaagh eine potenzielle Gefährdung der einheimischen Biodiversität insbesondere der Bestäuberinsekten, wirtschaftliche Schäden für die Imker, Schäden im Obst- und Weinanbau an. Auch die zunehmende Zahl gestochener Personen mit anaphylaktischem Schock bis hin zu Todesfällen kann an dieser Stelle nicht außer Acht gelassen werden. Die wirkungsvollste Bekämpfungsmaßnahme der Asiatischen Hornisse ist die Entfernung der Nester, die am besten frühmorgens oder nach Einbruch der Dunkelheit vorgenommen werden sollte. Sie ist nur mit Schutzanzug möglich und sollte auch nur von geschulten Personen durchgeführt werden.
Zudem findet eine intensive Aufklärungsarbeit von Imkern und der
Bevölkerung statt sowie Schulungen Ehrenamtlicher zum Erkennen dieser
Hornissenart und bezüglich der Nestentfernung. Meldeplattformen wurden
eingerichtet, um die Ausbreitung genauer beobachten zu können.
Im letzten Vortrag ging Joachim Jenrich, Diplom-Biologe an der UNB Rhön-Grabfeld, nach einem kurzen Steckbrief über die Biologie des Waschbären auf dessen Ausbreitung ein. In Deutschland ist die Art stark verbreitet und weist hier außerhalb der USA und Kanada die größten Vorkommen auf. Das Hauptproblem sind die Schäden, die der Waschbär an Gebäuden anrichtet, in die er über lockere Ziegel, Kaminschächte oder offene Dachbereiche problemlos eindringen kann. Seine Schlaf-, Wurf- und Überwinterungsplätze sucht er sich bevorzugt in solchen Wohn-und Wirtschaftsgebäuden.
Da der Waschbär seit 27 Jahren in Europa vorkommt, gehört er
mittlerweile zum eingebürgerten Neozoon. Nach Jenrich kann er daher
nicht mehr bekämpft, sondern die von ihm angerichteten Schäden können
nur möglichst gering gehalten werden. Dies gilt neben den Gebäudeschäden
ebenso für die von ihm verursachten Fraßschäden und Ernteverluste. So
führte Jenrich einige Maßnahmen an, mit denen Schäden abgewendet werden
können, sei es an Gebäuden oder in Bereichen, in denen der Waschbär eine
Gefährdung für einheimische Arten dargestellt, wie beispielsweise an
Horstbäumen verschiedener Vogelarten. Dabei betonte der Referent, dass
es stets wichtig sei etwaige Bekämpfungsmaßnahmen abzuwägen, um nicht
die Ausbreitung anderer Prädatoren zu fördern. Denn es handelt sich
nicht um einfache Räuber-Beute-Beziehungen, sondern um sehr komplexe
Beziehungsgefüge.
Insgesamt wird durch die Intensivierung globaler Handelsbeziehungen
sowie durch Veränderungen, die durch den Klima- und Landschaftswandel
hervorgerufen werden, die Bedeutung gebietsfremder Arten zukünftig
weiter zunehmen.
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Tintenfischpilz – auch in Osthessen konnten bereits einige Fundorte dieser Pilzart dokumentiert werden (Foto: Lukas Larbig) Dr. Manfred Verhaagh referiert über die Asiatische Hornisse Joachim Jenrich bei seinem Vortrag über den Waschbär |