Wissenschaftliche Jahrestagung des Vereins für Naturkunde in Osthessen (VNO) am 12.11.23

Nahezu 60 Interessierte waren der Einladung des Vereins für Naturkunde in Osthessen (VNO) zur diesjährigen wissenschaftlichen Jahrestagung in den Vortragssaal des Vonderau-Museums gefolgt. Bei seiner Begrüßung zeigte sich Elmar Kramm sichtlich erfreut über den großen Zuspruch der Tagung.                                                                                                                              
Dr. Tobias Reiners, Vorsitzender der HGON, stellte zu Beginn seiner Ausführungen zunächst die HGON und deren Arbeitsbereiche kurz vor. In diesem Zusammenhang nannte er das Projekt ADEBAR (2005-2009), ein Atlas deutscher Brutvogelarten, der den Status der Vögel in Hessen darstellt und maßgeblich auf ehrenamtlichen Kartierungen basiert.          
                                                                                          

Anhand zahlreicher Fotos und einer Reihe von Diagrammen konnte verdeutlicht werden, wie schnell Entwicklungen in der Vogelwelt teilweise vor sich gehen. So gibt es in Hessen aktuell mittlerweile 1250 Weißstorch-Brutpaare und 70 Brutpaare des Schwarzstorchs. Auch der Graureiher, der einst fast ausgestorben war, hat sich sehr gut erholt. Gleiches gilt für den Uhu. Positive Entwicklungen also „an die man vor Jahrzehnten nicht gedacht hat“ so Reiners. Dagegen ist der Bestand der Feldlerche in stetigem Rückgang begriffen. Gleichermaßen erschreckend ist die Bestandsentwicklung der Schleiereule. 90% ihrer Vorkommen sind in Hessen bereits verloren, das heißt in vielen Landkreisen Hessens, darunter auch im Landkreis Fulda, kommt die Schleiereule nicht mehr vor. Als Ursachen für diesen starken Verlust nannte der Referent die fehlende Verfügbarkeit einer geeigneten Nahrungsgrundlage, die stark veränderte Landwirtschaft und nicht zuletzt die fehlende Betreuung von Schleiereulennistkästen.
   

Schleiereule (Foto: Chris Kaula)
Zudem wirkt sich der Klimawandel negativ auf das Vorkommen von Vogelarten aus. Außer Klimaverlierern wie dem ausgesprochen klimaempfindlichen Waldbaumläufer, gibt es aber auch Klimagewinner. Hierzu zählt neben Rotschenkel, Zaunammer und Zwergscharbe, der Bienenfresser, der ganz klar von der Klimaerwärmung profitiert.
Zum Schluss ging der Referent noch auf einzelne Erfolge von speziellen Schutzmaßnahmen der HGON ein. Durch derartige Maßnahmen, die erheblich auf ehrenamtlichem Naturschutz basieren, konnten Kiebitz, Löffelente, Krickente und weitere Arten vor dem Aussterben gerettet werden. Da ehrenamtliches Engagement sehr wichtig ist, appellierte Reiners am Schluss seines sehr engagierten Vortrags an die Zuhörer sich weiterhin mit Beobachtungsmeldungen am Erfassungsprogramm Ornitho sowie am in 2024 beginnenden Projekt ADEBAR (2024-2029) zu beteiligen.

Blick in den voll besetzten Vortragssaal des Vonderau Museums
Foto: Dr. Ute Lange
In einem zweiten Vortrag mit dem Titel „Veränderungen der heimischen Fauna durch Invasion, Arealausweitung, Verschleppung und Klimaveränderung“ erläuterte Joachim Jenrich verschiedene Faktoren, die für Veränderungen in der Fauna verantwortlich sind und ging dabei auf die komplexen Wechselbeziehungen zwischen einzelnen Parametern ein. Dabei betonte er immer wieder die Rolle des Menschen als Teil der Ökosysteme. „Die heftigste Folge des globalen Handelns des Menschen sei der Klimawandel“ so Jenrich. Da heimische Faunen niemals konstant, sondern immer veränderlich sind, finden ständig Faunenveränderungen in unserer Landschaft statt. In diesem Zusammenhang ging der Referent neben der Wiederansiedlung des Wolfs auf die Wiederansiedlung des Weißstorchs ein. Die aktuelle Entwicklung verdeutlicht jedoch, dass Arten nicht einseitig gefördert werden können, sondern dass die Gesamtheit stets im Blick behalten werden muss. Denn es ergeben sich immer wieder andere Beziehungen im ökologischen System, die man vorab nicht bedacht hat.       
Joachim Jenrich spricht über die Veränderung der heimischen Fauna

Die auf dem jeweiligen ökologischen Potenzial basierende Anpassungsfähigkeit einer Art an sich verändernde Bedingungen ist recht unterschiedlich. Opportunisten, wie Wildschwein, Fuchs und Marder können sich vermehrt in städtischen Bereichen ausbreiten. Diese Ausbreitungstendenz wird durch die Aufheizung und den Nahrungsreichtum in den Städten noch gefördert. 

Zudem hat sich der Waschbär in unserem Naturraum einnischen können, da die vorhandenen heimischen Arten ihn nicht verdrängen konnten. Die Bisamratte besetzt eine ökologische Nische, die vorher nicht besetzt war und konnte sich so ohne Konkurrenz etablieren. Dies ist auch bei Insekten zu beobachten. Die nicht heimische Feuerlibelle beispielsweise hat sich bei fehlender Konkurrenz etablieren können.

Außer Kraft gesetzte Regulative wie fehlende Frostperioden oder neue entstandene Regulative wie zu starke Trockenheit führen zu Verschiebungen im Artenspektrum, wodurch andere Arten wiederum in Bedrängnis geraten.                                                                                                                                          Aktives und passives Einschleppen von Arten durch den Menschen führt zur Ansiedlung neuer Arten, seien es fremdartige Krebse, Muscheln oder Schildkröten, durch die heimische Arten zunehmend verdrängt werden und die zur Verfälschung der Fauna beitragen. Ferner ist der Mensch in seinem globalen Verhalten auch für die Einschleppung von Krankheitserregern und Parasiten verantwortlich.                                                                                                                       All die vom Referenten in sehr engagierter und umfassender Weise dargestellten Faunenveränderungen verlaufen zum Teil schleichend, zum Teil schnell. Stets spielt der Mensch dabei eine entscheidende Rolle, denn er erzeugt durch sein Verhalten Verlierer und Gewinner und verändert die Faunen massiv. Eine Gegensteuerung zu dieser Entwicklung erscheint nach Jenrich dringend erforderlich.

Dr. Ute Lange


Die Vorkommen des Tannenhähers werden wegen der Klimaerwärmung und dem Verlust der Fichtenbestände zunehmend verschwinden (Foto: Joachim Jenrich)


Unsere Referenten 2023: Dr. Tobias Reiners (links) und Joachim Jenrich (rechts)

 

Startseite      Berichte